29.3.07

Alles Klima?

Flugreisen müssen teurer werden. Furchtbar, dass der Pöbel heutzutage die einst halbwegs exklusiven Flughäfen überschwemmt! Selbst die Reisebranche findet, dass Fliegen zu billig ist. Kein Wunder: Mit 19,90-Euro-Tickets lässt sich beim besten Willen nichts verdienen. Ach ja, und die Sache mit dem Klima. Die Lösung für Flugreisende mit Öko-Gewissen ist natürlich, wie fast alles im segensreichen System der Marktwirtschaft, längst käuflich zu erwerben: verschiedene Anbieter verkaufen im Internet Klimaschutz-Ablassbriefe.

Bei Atmosfair kann man sich nach Eingabe von Start- und Zielflughafen die Kohlendioxid-Emissionen der Ökosauerei ausrechnen lassen. Besonders interessant dabei ist der automatische Vergleich mit Kühlschränken, Autos und Indern. Der Extremfall, ein Hin- und Rückflug von Berlin nach Sydney, produziert demnach pro Passagier etwa soviel Klimakillergase wie 121 Kühlschränke, 6 Autos oder 13 Inder in einem ganzen Jahr. Da nimmt sich der von Atmosfair errechnete Preis für den Klima-Ablassschein in Höhe von 244 Euro geradezu lächerlich niedrig aus. Der verwandelt den fiesen Flug - schwupps! - in einen harmlos-„klimaneutralen“. Denn Atmosfair finanziert zum Beispiel Solarprojekte in Indien, die die Emissionen der dortigen Bevölkerung noch weiter senken und so die fliegenden Dreckschleudern der Wohlhabenden neutralisieren. Besonders billig kommt man bei den sonst so viel gescholtenen Kurzstreckenflügen davon: Mit gerade mal 6 Euro für einen einfachen und 9 Euro für einen Hin- und Rückflug kann man die Seele von der Ökosünde freikaufen. Das dürfte nicht mal ein Billigfliegerbudget sprengen.

Und für gewissensgeplagte Autofahrer gibt’s die „Klima-Vignetten“ der Climate Company: 15.000 klimaneutrale Kilometer je nach Autotyp schon ab 65,90 Euro. Hier werden keine Projekte unterstützt, sondern EU-Emissions-Zertifikate aufgekauft: was man aus dem eigenen Auspuff bläst, darf die Industrie nicht mehr durch den Schornstein jagen.

15.3.07

Alles Birne?

Alle reden vom Klima. War ja auch wirklich ganz schön warm diesen Winter. Ob das an den Glühbirnen lag? Die sind schließlich im Grunde gar keine Leuchtmittel, sondern Miniaturheizkörper. Nur fünf Prozent der eingesetzten elektrischen Energie wandeln herkömmliche Birnen in Licht um, der Rest ist Wärme. Darum sollen die Beleuchtungsklassiker in Australien demnächst sogar verboten werden, und auch hierzulande reden manche schon davon.

Mir erscheint das reichlich albern, denn schließlich darf man ja auch sonst in allen Lebensbereichen nach Herzenslust soviel Energie verbrunzen, wie man es sich finanziell so eben leisten kann. Warum also nicht mit Glühbirnen heizen? Das senkt immerhin die Gasrechnung. Und damit den Kohlendioxidausstoß. Strom kann man schließlich mit diesen neuartigen Öko-Kraftwerken auf Uranbasis quasi klimaneutral herstellen. Dekorativer als ein ordinärer Heizlüfter ist so ein Haufen leuchtender Glühbirnen allemal. Wollte man eine vergleichbare Wärmeleistung mit sogenannten Energiesparlampen erreichen, würde es einfach unerträglich grell. Ganz zu schweigen von den exorbitanten Anschaffungskosten.

Glühbirnen wiederum halten dafür nicht besonders lange, was allerdings nicht ihrem Funktionsprinzip geschuldet ist, sondern allein dem Glühbirnenkartell der westlichen Hemisphäre, das sich einst auf eine durchschnittliche Birnenlebensdauer von rund tausend Stunden geeinigt hat. Sozialistische Lampen glühten (und glühen) deutlich länger. Der Westberliner Erfinder Dieter Binninger wollte denn auch Anfang der Neunziger seine 150.000-Sunden-Ewigkeitsglühbirnen in den damals noch existierenden Ostberliner Narva-Werken produzieren. Doch Binniger starb bei einem Flugzeugabsturz, bevor die Verträge unterzeichnet waren. Das Klima freut es vielleicht: Die ewigen Birnen heizten zugunsten der Haltbarkeit bei gleicher Helligkeit noch mehr als ihre kurzlebigen Schwestern.

1.3.07

Alles Lüge?

Dass die Alles-immer-billiger-Mentalität, die insbesondere deutsche Konsumentinnen und Geiz-ist-Geil-Discounter in trauter Eintracht verbindet, nicht der Weisheit letzter Schluss ist, liegt auf der Hand. Immer noch günstigere Preise lassen sich nicht mehr allein mit spartanischer Ladeneinrichtung und schlankem Sortiment realisieren. Gnadenloses Ausbeuten der eigenen Belegschaft und ruinöse Niedrigstpreisforderungen an die Lieferanten der Billigprodukte sind zentrale Faktoren bei der Kalkulation der Discount-Preise.

Das ist nicht nur unschön, sondern schadet auf Dauer auch den schnäppchenjagenden Kunden selbst. Durch sinkende Qualität der Produkte etwa, aber auch im größeren Maßstab über durch den Billigwahn forcierte globale Lohndumpingprozesse, die einem eines Tages selbst den Einkauf beim Discounter unerschwinglich machen könnten. Diese Zusammenhänge erläutert der Journalist Franz Kotteder anschaulich und streckenweise unterhaltsam in seinem Sachbuch „Die Billig-Lüge“. Das ist soeben - ich wage fast nicht, es zu schreiben: - endlich auch im sparerkompatiblen Taschenbuchformat für geizverdächtige 8,95 Euro erschienen.

Neben den angedeuteten Hintergrund-Infos zum Billigsystem gibt es im Buch auch ein paar nette charakterisierende Stories über die geradezu mythischen deutschen Discounterkönige, allen voran natürlich die Aldi-Albrecht-Brüder. Theo Albrecht etwa versuchte, als er 1971 Opfer einer Entführung wurde, das geforderte Lösegeld von 10 Millionen auf 100.000 Mark herunterzuhandeln. Am Ende flossen dann doch 7 Millionen, die er später als Betriebsausgabe von der Steuer absetzen wollte - allerdings erfolglos.

Etwas fragwürdig erscheint mir lediglich das Schlusswort der „Billig-Lüge“, in dem der Autor die Gründung einer neuen Handelskette für Bioprodukte als Hoffnungsschimmer herausstellt. Denn der Gründer ist ein ehemaliger Aldi-Manager, der sich nach wie vor zu den Prinzipien seines einstigen Arbeitgebers bekennt, und es handelt sich natürlich um eine Bio-Discount-Kette.

Franz Kotteder: Die Billig-Lüge. Die Tricks und Machenschaften der Discounter. Droemer/Knaur-Verlag, 8,95 Euro.