31.8.06

Bombensicher & knallbillig: Schließfächer

Ich fand sie ja von vornherein grenzwertig. Aber jetzt sollte sie wirklich schleunigst demontiert werden: „Bombardier“ fordert die riesige Leuchtschrift hoch über den Bahnsteigen des neuen Hauptbahnhofs die Reisenden auf. Fehlt bloß noch ein ergänzendes „....mich!“. Leichter gesagt als getan übrigens – schließlich gibt es im ganzen funkelnagelneuen größten, schnellsten und tollsten Bahnhof der Welt kein einziges Schließfach. Stattdessen eine Gepäckaufbewahrung mit flughafenmäßiger Kofferröntgenanlage, beschränkten Öffnungszeiten und langen Warteschlangen.

Dabei sind Schließfächer absolut unverzichtbar für sparsame Kurzzeit-Berlinbesucher, die sich keine Unterkunft leisten können oder wollen. Habseligkeiten ins Fach, und schon kann man sich erleichtert in die ohnehin niemals schlafende Stadt stürzen. Noch ist zudem Outdoor-Sleeping-Saison im Tiergarten. An dessen westlichem Ende liegt denn auch die Rettung für Schließfachfreunde: Der Bahnhof Zoo wird scheinbar nicht mal mehr eines Terroranschlags für würdig befunden – oder aber seine Sprengung würde dem Lamentieren der ewiggestrigen City-West-Lobbyisten ein willkommenes Ende bereiten. Was auch immer die Gründe sein mögen: Im Bahnhof Zoo dämmern hunderte funktionsfähiger Schließfächer im Dornröschenschlaf vor sich hin. Mit drei bis fünf Euro Tagesmiete kosten sie allerdings fast soviel wie ein billiges Hotelzimmer.

Die Spar-Lösung befindet sich ein paar Schritte hinter dem Bahnhof. Die zahllosen Schließfächer der dort gelegenen VW-Bibliothek sind neuerdings optimal für absolut Mittellose geeignet: Nichtmal mehr Pfandmünzen fordern sie, stattdessen muss man sich eine selbst gewählte Code- und natürlich die Fachnummer merken. Einige der Schließfächer haben glatt die großzügigen Ausmaße japanischer Hotelzimmer, nur vertikal. Auf dem Weg vom Bahnhof liegt praktischerweise auch noch der Duschcontainer für quartierlose Reisende, nebenan gibt’s Kaffee für 30 Cent.

VW-Bibliothek, Fasanenstr. 88, Mo-Fr 9-20 Uhr, Sa 10-14 Uhr

17.8.06

Telefonkuppler? Peter zahlt!

Wer sparermäßig was auf sich hält, telefoniert längst über das Internet. Voraussetzung dafür ist allerdings ein schneller Netzzugang à là DSL mit Flatrate. Ist der auch beim Gesprächspartner irgendwo auf der Welt vorhanden, kostet das Telefonat nichts extra. Interessant sind auch die Schnittstellen zu den herkömmlichen Telefonnetzen.

Lustig ist beispielsweise, sich diverse virtuelle Festnetznummern aus aller Welt zu besorgen. Damit kann man dann ganz gemütlich von zu Hause aus weltweite Präsenz simulieren. Oder aber andersherum geschäftige Anwesenheit im Berliner Büro vom Laptop an der Strandbar auf Hiddensee oder Hawaii vorgaukeln. Wo sich der Angerufene im weltweiten Datennetz gerade real befindet, spielt keine Rolle - auch kostenmäßig nicht. Nachteil der ganzen Internettelefoniererei: Eine gewisse Freude am Experimentieren, Konfigurieren und Ausprobieren war bisher schon nötig, außerdem ein Mindestmaß an geeigneter Hardware - und sei es nur ein PC-Headset.

Die neuesten Angebote machen jetzt auch das überflüssig. Unter www.peterzahlt.de gibt man einfach die eigene Festnetznummer und die des gewünschten Gesprächspartners ein, ganz ohne Anmeldeprozedur. Kurz darauf klingelt erst das eigene, dann das angerufene Telefon irgendwo in Deutschland oder einem von sieben weiteren Ländern. Die Verbindung ist kostenlos. Denn: Peter zahlt. Jedenfalls solange man nicht das Browserfenster mit der laufenden Werbung schließt.

Wer exotischere Gesprächsziele hat, sollte www.freecall.com ausprobieren. Dort funktioniert es ganz ähnlich gratis sogar in 31 Länder, darunter Russland, China und Malaysia. Geht auch unterwegs, wo immer ein anrufbares Festnetztelefon zur Hand ist - und sei es eine Telefonzelle. Beide Anbieter eröffnen systembedingt charmante Missbrauchsmöglichkeiten beispielsweise für KupplerInnen. Schließlich kann man zwei beliebige Nummern miteinander verbinden.

www.peterzahlt.de
www.freecall.com

3.8.06

Weiße Fahrräder für alle

Jederzeit verfügbare, kostenlose Leihfahrräder für alle: Eine Utopie, die seit dem „Witte Fietsen Plan“ der niederländischen Provos Ende der Sechziger Jahre immer mal wieder ausprobiert wird. Damals sollten tausende auffällig-weiße Fahrräder zum allgemeinen Gebrauch in Amsterdam verteilt werden, die jederzeit überall in der Stadt benutz- und wieder abstellbar sein sollten. Selbst in meinem schleswigholsteinischen Heimatkaff startete in den Achtzigern ein 68er-Pastor das Arbeitslosenselbsthilfeprojekt „Kommunale Fahrräder“. Bei uns waren die Räder damals allerdings blau.

Doch die ganz pur-anarchistische Form – ohne jede Sicherung und Kontrolle – hält meist nur kurze Zeit durch. Mit Einführung von Anmelde- und Registrierungsmechanismen sinkt allerdings auch der Charme der unmittelbaren, spontanen Fahrradnutzung stets ganz erheblich. Die Deutsche Bahn betreibt bekanntlich mit Call a Bike seit einigen Jahren eine Hightechvariante unter anderem in Berlin. Die Bahn-Rufräder sind zwar mehr oder weniger spontan verfüg- und wieder abstellbar, dafür aber alles andere als umsonst. Mit zunächst vernachlässigbar wirkenden sieben Cent pro Minute kommen bei einer gemütlichen Stadtrundfahrt schnell stattliche Beträge zusammen. Vorletzte Saison gab es von Hackern des Chaos Computer Club modifizierte Bahn-Bikes, mit „Hack a Bike“ statt „Call a Bike“ im Display und mit dem richtigen Code gratis nutzbar. Vorbei – und zudem natürlich ohnehin verboten.

Seit kurzem gibt es jetzt eine ganz legale Form des Gratis-Fahrradleihens in Berlin: Die junge Firma bike4free betrachtet die Drahtesel als mobile Reklametafeln und lässt die Werbekunden zahlen. Die im Unterschied zu den DB-Hightechbikes absolut rudimentären Freiräder – übrigens zunächst mal ganz in weiß gehalten – sind täglich zwischen 11 und 20 Uhr gegen Vorlage eines Ausweises kostenlos entleihbar. Momentan „wegen Sponsorenwechsel“ nur an einer der drei Stationen, gleich neben dem Bundesratsgebäude in der Leipziger Straße 3-4. Bleibt abzuwarten, wie lange das oft gescheiterte werbegestützte Gratismodell in diesem Fall durchhalten wird. Am besten schnell mal ausprobieren!

www.bike4free.de